7. April 2020

Code of Conduct der Deutschen Handels-, Dienstleistungs-, Gastronomie- und Handelsimmobilien-Industrie

Code of Conduct der Deutschen Handels-, Dienstleistungs-, Gastronomie- und Handelsimmobilien-Industrie als gemeinsamer Leitfaden für eine Zusammenarbeit während der Corona-Krise, deren Bewältigung sowie ein proaktives und nachhaltiges Gestalten der nachfolgenden Soft Opening Phase

Präambel
Die Parteien dieses Dokuments, die wichtige Gruppen des stationären Handels (Mieter) und der Eigentümer (Vermieter) vertreten, haben nachfolgende Prinzipien für die Deutsche Handels-, Dienstleistungs-, Gastronomie- und Handelsimmobilien-Industrie erarbeitet, um für das gemeinsame Arbeiten während der Corona-Krise und in der nachfolgenden Soft Opening Phase sowie der zu erwartenden Nachlaufphase einen Code of Conduct zu vereinbaren.
Dieses geschieht mit der übereinstimmenden Haltung, dass die von keiner Seite aus verschuldeten Corona-Krisenauswirkungen gemeinsam bewältigt werden können. Durch einen fairen und partnerschaftlichen Umgang auf Augenhöhe sollte eine ausgewogene Lastenteilung immer angestrebt werden. Im Diskurs mit den politischen Kräften achten alle Parteien darauf, dass die gesamte Wertschöpfungskette immer als Einheit dargestellt wird.
Die Parteien sind sich einig, dass durch die Einhaltung des Code of Conduct nur die Basis gelegt werden kann, damit anschließende staatliche Unterstützungsmaßnahmen und gesetzliche Regelungen dazu führen, dass die Branche überlebt. Vor diesem Hintergrund müssen beide Parteien umgehend auf die Politik einwirken, damit kurzfristig ergänzende und weiterführende Unterstützungsprogramme aufgelegt und gesetzliche Regelungen beschlossen werden. Bis dahin gilt Folgendes:

Übergeordnete Ziele sind dabei:
1. Juristische Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern in der aktuellen Krise zu vermeiden und die Aktivitäten auf die Rettung der deutschen Handels-, Dienstleistungs-, Gastronomie- und Handelsimmobilienindustrie zu konzentrieren, um das Überleben der beteiligten Protagonisten und die Vielfalt des Einzelhandels zu sichern.
2. Die Gewährleistung und Präsentation eines einheitlichen Ansatzes der gesamten Branche, auch zur Sensibilisierung der wichtigsten politischen Entscheidungsträger,
3. um eine kompetente Antwort zu gewährleisten, da sich die Herausforderungen schnell entwickeln, und um die Grundlage für weitere Diskussionen zu schaffen,
4. die weitere Politikgestaltung bei der Prüfung und Umsetzung der Prinzipien zu leiten, und
5. die Förderung eines gemeinsamen Ansatzes in allen Rechtsordnungen.

Übergreifende und grundlegende Prinzipien
1. Die Eigentümer (Vermieter) von Einkaufszentren und Handelsimmobilien sowie Handels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe (Mieter) haben ein gemeinsames Interesse an der Geschäftskontinuität und Erhaltung der deutschen Handels-, Dienstleistungs- und Gastronomielandschaft.
2. Die Vermieter ermutigen die Mieter, an sie heranzutreten, um relevante Fragen und Auswirkungen, die sich aus der aktuellen Corona-Krise und deren behördlich angeordneten Maßnahmen auf das Mietverhältnis ergeben, zu erörtern und auf gemeinsame Lösungen bzw. Ergebnisse hinzuarbeiten. Durch einen fairen und partnerschaftlichen Umgang auf Augenhöhe sollte eine ausgewogene Lastenteilung immer angestrebt werden.
3. Die Vermieter sowie Einzelhändler, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe sind sich einig, dass sie sich gegenseitig unter Umständen genaue Einblicke in Geschäftsunterlagen gewähren sollten, damit eine beidseitige Basis für zu erarbeitende Lösungen gefunden werden kann.
4. Die vereinbarten gemeinsamen Grundsätze sollen vorübergehend gelten, solange die COVID-19-Pandemie und die Folgen der behördlichen Anordnungen ein Thema für beide Mietvertragsparteien sind.
5. Alle Mieter, Vermieter, Räumlichkeiten und Einkaufszentren sind in ihrer Struktur unterschiedlich, ebenso wie ihre geschäftlichen Vereinbarungen; es ist daher nicht möglich, gemeinsame Festlegungen zu treffen, die alle Mietverhältnisse gleichermaßen regeln, z.B. hinsichtlich der Mieten und Nebenkosten sowie sonstigen mietvertraglichen Details.
6. Mietverträge haben unterschiedliche Strukturen und befinden sich in unterschiedlichen Stadien. Beide Parteien sind mit ihrer Organisationsform und Finanzkraft unterschiedlich aufgestellt. Daher ist jeder Mietvertrag fallspezifisch zu behandeln, wobei unterschiedliche Faktoren und Fragen zu berücksichtigen sind, und zwar unter anderem:
• ob der Mieter/Vermieter aufgrund der COVID-19-Pandemie in eine finanzielle Notlage geraten ist;
• ob der Mieter/Vermieter ein KMU ist;
• ob der Mietvertrag als Umsatzmietvertrag ausgestaltet ist;
• ob der Mietvertrag gerade abgeschlossen wurde, ausgelaufen ist oder bald ausläuft oder sich in einem „Hold-over“ befindet;
• ob der Mieter sich möglicherweise bereits im Verzug befindet;
• ob sich der Mieter/Vermieter unter Zwangsverwaltung bzw. in der Insolvenz befindet.

Vereinbarte Verhaltensregeln und Ziele der Vermieter und Mieter für den Zeitraum der Corona-Krise
Die nachfolgenden Empfehlungen sind als zielführende und für alle Parteien hilfreiche Verhaltensregeln für den Zeitraum der Corona-Krise entwickelt worden. Sie sollen helfen, einheitliche, faire und partnerschaftliche Lösungen für beide Parteien umzusetzen. Diese Verhaltensregeln sind rechtlich nicht bindend, sondern stellen eine Selbstverpflichtung für die Vermieter und Mieter dar, die sich freiwillig zu diesen bekennen.

1. Vermieter und Mieter vereinbaren ein kurzfristiges, vorübergehendes Räumungsmoratorium wegen Nichtzahlung der Miete, das für alle gewerblichen Mietverhältnisse gilt, die eindeutig schwere Auswirkungen bedingt durch die aktuelle Corona-Krise aufzeigen können. Hierbei sind mögliche weitere Regularien des Gesetzgebers, die übergeordnet wirken können, zu berücksichtigen.
2. Vermieter und Mieter beabsichtigen, sich abhängig von der individuellen Lage auf Stundungen, Mieterleichterungen, Ermäßigungen oder andere individuelle Lösungen für einen bestimmten Zeitraum für betroffene Mieter zu verständigen. Ebenso beabsichtigen beide Parteien vorübergehende Änderungen der Mietverträge und Zugeständnisse wie Laufzeit-Verlängerungen zu diskutieren. Dies ist von Fall zu Fall individuell zwischen den Parteien zu prüfen.
3. Die Mieter können mit relevanten Finanzdaten und anderen Geschäftsinformationen die durch die Corona-Krise bedingte wirtschaftliche Situation glaubhaft machen, um das Verständnis des Vermieters für die Zahlungsfähigkeit des Mieters während des betroffenen Zeitraums zu erhöhen. Hierzu zählen auch Informationen zu den in Anspruch genommenen staatlichen Hilfsprogrammen. Im Gegenzug kann der Vermieter mit relevanten Finanzdaten über die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Mietobjektes seine Situation ebenso glaubhaft darstellen.
4. Die finanzielle Unterstützung kann bei Filialbetrieben auf der Basis der gesamten finanziellen Kapazität des Mieters (im Rahmen seiner Unternehmensgruppe) erfolgen ggf. unter Berücksichtigung anderweitiger Zugeständnisse, wie z.B. Laufzeitverlängerung.
5. Vermieter und Mieter sind sich einig, dass ausschließlich Mieter unterstützt werden sollen, die auf Basis aktueller Einschätzungen nach der Corona-Krise ihren Betrieb wieder aufnehmen und innerhalb einer festgelegten Erholungszeit finanziell wieder eigenständig lebensfähig werden.
6. Eigentümer von Gewerbeimmobilien sollten sicherstellen, dass alle Vorteile durch staatliche Förderungen oder Steuererleichterungen, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie geleistet werden und die sie in Bezug auf ihre Immobilien erhalten, auch ihren Mietern zugutekommen, und zwar im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Auswirkungen, die die COVID-19-Pandemie verursacht.
7. Von Vermietern und Mietern, die nicht wesentlich bzw. nur marginal von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sind, wird erwartet, dass sie ihre Mietverträge einhalten.
8. Die Vermieter sagen zu, alle möglichen Maßnahmen zu prüfen und ggf. zu ergreifen, die im Sinne des Code of Conduct zielführend erscheinen. Hierzu können Kostensenkungsmaßnahmen während des Immobilienbetriebes, Tilgungsaussetzungen, Verzicht auf Verzugszinsen oder Verlängerung der Darlehnslaufzeiten zählen.
9. Vermieter und Mieter setzen sich mit den Spitzenverbänden ihrer Industrie dafür ein, dass die Regierungen gesetzliche Abgaben, die die Kostenlast der Parteien erhöhen, für den Zeitraum der Auswirkungen der Corona-Krise senken sollen. Weitergehende, kurzfristige direkte Unterstützung der Mieter und Vermieter durch die öffentliche Hand werden ausdrücklich gemeinschaftlich angestrebt.
10. Vermieter und Mieter werden sich gemeinsam mit den Spitzenverbänden ihrer Industrie dafür einsetzen, für die Zeit nach der Krise verkaufsfördernde Maßnahmen (weitere Flexibilisierung der Öffnungszeiten, verkaufsoffene Sonntage etc.) politisch durchzusetzen.

Schlusserklärung
Alle Parteien der durch diesen Code of Conduct erfassten gesamten Wertschöpfungskette erkennen heute schon an, dass sich durch die dynamische Entwicklung der Corona-Krise und den daraus resultierenden behördlichen Maßnahmen möglicherweise die dargestellten Empfehlungen nicht oder nur unzureichend umsetzen lassen bzw. die Umstände eine grundlegende Neubetrachtung verlangen. Auf der Basis des hier vereinbarten fairen und partnerschaftlichen Umganges soll dann an einer bestmöglichen Lösung gemeinsam gearbeitet werden. Dieser Code of Conduct ersetzt keine richterliche Entscheidung und gilt zunächst als bis zum Jahresende 2020 vereinbart. Er verlängert sich um weitere sechs Monate, wenn zum Jahresende 2020 der Gesetzgeber keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die verschiedenen Themenfelder der Auswirkungen der Corona-Krise geschaffen hat.